Detlef keeps people from working - heute Helmut Scharle

“Seit meinem Beginn bei PSI 1981 hat sich unser Geschäft dramatisch verändert. Damals und heute sind es die Menschen, welche die Firma ausmachen. Einige möchte ich Ihnen vorstellen.”

Herzlich willkommen, Helmut Scharle – einer der sechs Gründer der PSI, der mit seinen Kollegen das „Selbstbestimmungsmodel“ eingeführt hat und PSI‘s Grundlagen des Stahlgeschäfts gelegt hat!

Helmut, was ich Dich schon immer fragen wollte. . . Erinnere ich mich richtig, dass PSI am 1. April 1969 gegründet wurde, weil die AEG keinen großen Sinn mehr darin sah, die Automatisierung im Eisenhüttensektor weiter zu betreiben?

Ja, so ungefähr. Von 1966 bis 1968 arbeiteten die fünf weiteren Gründer von PSI und ich bei der AEG. Für den "Bochumer Verein" in Deutschland haben wir eine Software zur Steuerung des Betriebs in einer Warmbreitbandstraße entwickelt. Bis dahin führte die AEG solche Steuerungen konventionell, elektrisch durch. Dieses Projekt stieß auf viele Schwierigkeiten und die AEG wollte diesen Bereich nicht weiter vorantreiben.

Für uns hatte die Idee jedoch viel Potenzial. So gründeten wir PSI am 1. April 1969, die offizielle Anmeldung erfolgte am 12. Mai.

Produktionssteuerung von Stahl seit 50 Jahren

Fangen wir von vorn an, Du stammst aus dem Saarland?

Ich bin 1940 im Saarland geboren und habe Elektrotechnik in Karlsruhe studiert. Die Messdatenauswertung für meine Diplomarbeit wurden auf einem Zuse-Rechner programmiert.

Wie kamst Du nach Berlin und zur Software?

Ich bin bei der AEG 1966 in der Walzwerkabteilung in Berlin gestartet. Sie hatten auch eine Automatisierungs-Abteilung.

Das erste Projekt bei der AEG lief schwierig?

Kann man so sagen. Das Projektteam bestand größtenteils aus frisch eingestellten Uniabsolventen, die weder Erfahrung mit Stahl noch mit Rechnern hatten. Wir haben 1,5 Jahre für die Programmierung und dann noch einmal 1,5 Jahre für die Inbetriebnahme vor Ort in Bochum benötigt. Letzendlich lief das System zur Zufriedenheit des Kunden, aber unser Arbeitgeber in Berlin hatte uns darüber fast vergessen. Die lange, harte Zeit auf der Anlage hatte uns zusammengeschweißt. Wir hatten uns inzwischen viel Know-how angeeignet - da konnten wir uns eine Rückkehr zu einem hierarchischen, unflexiblen Unternehmen nicht mehr vorstellen.

Helmut Scharle
”Den Firmennamen PSI haben wir vor 50 Jahren in einer Kneipe auf Bierdeckeln entworfen.”

50 Jahre PSI

Erstes PSI Logo

Wer hat die PSI gegründet?

Die sechs Gründer waren Wolfgang Dedner, Winfried Gerresheim, Dietrich Jaeschke, Paul Kruse, Franz Mailänder und ich. Wir haben PSI damals als „Gesellschaft für Prozesssteuerung und Informationssysteme mbH“ gegründet. Die Grundidee war die Echtzeitprogrammierung.
Schon am Ende des Jahres waren wir zehn Mitarbeiter und hatten in den acht Monaten einen Umsatz von 350.000 DM gemacht!

Wer waren die ersten Kunden?

Die Kunden der AEG aus der Stahlindustrie haben den Nutzen und die Chancen der Software schnell erkannt und weitere Projekte beauftragt. Wir hatten das Know-how und haben als Unterauftragnehmer für die AEG gearbeitet.

Heute kann man Startups wahrscheinlich leichter gründen als 1969?

Das war damals spannend. Ich war einer der ersten, der für die neue Firma arbeiten konnte. Die Gesellschaft wurde gegründet, wir haben neue Kollegen gesucht, Arbeitsverträge gemacht, Gehälter bezahlt. Wir haben ein Büro in einer großen Wohnung in der Frege-Straße in Berlin gemietet, um unsere  Aufträge bearbeiten zu können.

Wie seid Ihr auf den Firmennamen gekommen?

Den haben wir uns gemeinsam in einer Berliner Eckkneipe ausgedacht. Wir hatten Bierdeckel, einen Kuli und viele Ideen. Die Abkürzung „PSI“ hat uns gleich gut gefallen, er steht ja auch als griechischer Buchstabe für die ungelösten Rätsel der Mathematik. Das Logo ist dann etwas später in der gleichen Kneipe entstanden.

Die 68er Studenten haben unser Unternehmensmodel geprägt.

Wie ist das "Selbstbestimmungsmodell" entstanden?

Unsere jungen, neuen Kollegen waren von der 68er Bewegung in Berlin geprägt. Sie, aber auch die Gründer wollten eine neue Form der Zusammenarbeit, nicht die übliche in einem Konzern.
1972 hatten wir noch kein richtiges Controlling, die Kunden zahlten erst nach der Fertigstellung. Wir haben expandiert und die Gesellschafter mussten vorfinanzieren. In dieser Zeit haben die neuen Kollegen vorgeschlagen auf Gehalt zu verzichten und selbst weiteres Geld einzubringen.

Wie verlief der Prozess?

Die “Jungen” waren eloquent, dynamisch aber auch geschäftsorientiert. Die Debatte startete turbulent, endete aber bald in einem einvernehmlichen Vertrag. Im Ergebnis verließ aber ein Gründer hat das Unternehmen.

Was waren die Highlights des Modells?

Alle Mitarbeiter konnten Gesellschafter werden. Dafür mussten sie Anteile kaufen – aber nicht mehr als 1%. Als Gesellschafter haben alle Mitarbeiter vom Gewinn und Verlust profitiert. 50% des Gewinns wurde an die  Mitarbeiter gleich verteilt, die anderen 50% an die Gesellschafter gemäß ihrer Anteile.

Die Manager wurden alle zwei Jahre von den Mitarbeitern, für die sie zuständig waren, gewählt oder bestätigt. Die Gesellschafter haben auch den Geschäftsführer gewählt - interessanterweise über viele Jahre hinweg, alle zwei Jahre immer denselben – Dietrich Jaeschke.

Die Anzahl der Urlaubstage konnte man mit Lohnausgleich wählen. Im Durchschnitt haben die Kollegen aber weniger Urlaub als die Norm gewählt. Dennoch waren alle zufriedener, die mit wenig Urlaub und die mit viel Urlaub.

Hat das Modell funktioniert?

Das hat gut funktioniert. Alle Mitarbeiter waren sehr engagiert und haben auf Kundenzufriedenheit und Profit geachtet. Wir haben alles diskutiert. Die Gruppe war so heterogen, dass die meisten von ihnen glücklich waren, wenn der Vorstand eine Strategie verfolgte und sowohl Gewinn als auch interessante Arbeit sicherte.

Wie hat die Umwelt auf das Model reagiert?

Am Anfang wurden wir als die „Software-Kommune“ bezeichnet und haben uns nicht gewagt, das Modell den Kunden darzustellen. Würdest Du die Automatisierung Deiner Stahlproduktion einer Gruppe von langhaarigen Hippies, umgeben von der sozialistischen DDR und so nah bei den revoltierenden Berliner Studenten anvertrauen? Später haben wir das Modell als Alleinstellungsmerkmal dargestellt. Wir hatten keine Fluktuation, die Mitarbeiter waren engagiert, unsere Lösungen innovativ.

Das Model blieb sowohl den Arbeitnehmerverbänden als auch Gewerkschaften suspekt.
Mit dem Börsengang haben wir  das Modell abgeschafft. Es passte nicht zum  Aktiengesetz. Aber auch heute noch halten die Mitarbeiter einen wesentlichen Teil der Aktien.

Hattest Du noch Zeit für ein Privatleben?

Klar, einige Tage nach der PSI-Gründung habe ich eine junge Ärztin kennen und lieben gelernt. Wir haben dann bald geheiratet. So  feiere ich dieses Jahr 50 Jahre PSI und nächstes Jahr Goldene Hochzeit. Auf meine drei Kinderund neun Enkelkinder bin ich mindestens genauso stolz wie auf die Expansion  der PSI.

Helmut, was würdest Du uns heute ins PSI Metals-Stammbuch schreiben?

Erst mal möchte ich den Metals-Kollegen von ganzem Herzen gratulieren. Ihr habt aus unserem Geschäft in Deutschland einen Weltmarktführer für Produktionsmanagment in Metals gemacht. Chapeau.

Mein Wunsch: Behandelt die Mitarbeiter und die Kunden gut. Liefert innovative Lösungen, die dem Kunden nutzen - dann werdet Ihr auch weiterhin erfolgreich sein. So haben wir 1969 gestartet und ich denke das werdet Ihr auch erfolgreich fortführen.

Vielen Dank Helmut für die Gründung der PSI, das Etablieren des Stahlgeschäfts und der Möglichkeit, dass alle Kollegen Anteilseigener der PSI werden konnten. Nur das Beste für Dich und Deine Familie und herzliche Grüße an Deine neun Enkelkinder!

Interview durch:

Detlef Schmitz (64), verheiratet mit seiner großen Liebe Karola (61), stolzer Vater von Hanna (29) und Paul (27), war 30 Jahre lang in verschiedensten Führungspositionen bei PSI. Heute ist er Director of Business Development.